Retrospektive meiner bisherigen Vorgesetzen

Immer häufiger höre ich die Frage: „Wie sollte denn deiner Meinung nach eine Führungskraft führen?“ 
Zugegebenermaßen habe ich mir das natürlich selbst eingebrockt – aber nicht ungewollt. Ein Glas Rotwein, einige kritische Fragen damit gibt man ja eine Steilvorlage – ungewollt wäre gelogen. 
Wo fängt man bei so einem universellen Thema an, hat man doch den Anspruch alles abdecken zu wollen. Ich lasse jetzt zunächst einmal bewusst Persönlichkeits-Modelle wie DISG, Master Typo 3 oder REISS aus dem Spiel. Was nicht bedeuten soll, dass typengerechtes führen immer mehr Einzug erhalten sollte. Die alte Schule wird jetzt sagen, das ist viel zu aufwendig, teuer, kaum umsetzbar etc. Ich sage, alles Unsinn! Es ist einfacher denn je typengerecht zu führen. Die Gesellschaft wird zunehmend sensibler und eine gewisse Grundunzufriedenheit stellt sich ein. Warum? Weil gerade das Thema Sinnhaftigkeit ernst genommen werden muss aber nicht wird. Um der Frage aber einen Schritt näher zu kommen, habe ich mich auf meine ehemaligen Vorgesetzten bezogen. Ich habe einen nach dem anderen vor meinem inneren Auge visualisiert, habe mir die Stärken und Schwächen notiert, mein eigenes Handeln vor Augen gehalten, Fragen wie „wer hat mich geprägt?“, „wer hat mich kündigen lassen?“, „mit wem hätte ich gerne länger zusammengearbeitet?“.
Tatsächlich war es nicht ganz einfach diese Fragen zu beantworten, es war immer kontextabhängig. Eines jedoch hatte sich immer wieder bestätigt und daran glaube ich weiterhin, die Regula Aurea: 
„Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst.“ 
Hier kann man die Transaktionsanalyse zu Hilfe nehmen, war ein Vorgesetzter nicht gerade hilfreich, kam das rebellische Kind-Ich und ich wurde trotzig: „Der hat doch keine Ahnung!“ Wurde ich aber ernst genommen, strengte ich mich gleich doppelt an. 
Anhand dieser Maxime und der Reflexion konnte ich folgende Kriterien definieren:

Zugänglich 
Vorgesetzte, die immer eine offen Tür für die Mitarbeiter hatten, waren auch diejenigen, bei denen man das Gefühl hatte gehört zu werden und das gab einem auch das Gefühl wichtig zu sein. Als Führungskraft bist du immer präsent und siehst die Zusammenhänge auch mal aus deren Blickwinkel.

Gemeinschaftsorientiert 
Als gute Führungskraft förderst du das Zusammengehörigkeitsgefühl. Auch wenn es im Team Konflikte gibt, du bist proaktiv und löst die Konflikte und erschaffst eine positive Umgebung, damit die Mitarbeiter sich entfalten können. Mit Entfaltung ist hier die aufgabenfokussierte Performance gemeint. Es darf nicht vergessen werden, die Arbeit ist kein Ort für persönliche Verwirklichungen. Das heißt nicht, dass das nicht im Rahmen der Position und in Absprache gefördert werden kann.

Stärkend 
Sei transparent! Nur dann kannst du Vertrauen aufbauen. Gib deinen Mitarbeitern auch das Vertrauen Eigenverantwortung zu übernehmen, ermutige sie dazu. Deine Mitarbeiter sind nicht zum reinen Abarbeiten angestellt. Gib ihnen eigenverantwortliche Projekte und sie lernen aus den Fehlern. Du kannst nicht alles können. Aus der Führungsperspektive sieht man nicht immer jedes Detail. Du bist auch auf dein Team angewiesen. Es ist eine Symbiose und je stärker die Verbindung desto erfolgreicher das Team.

Fördernd 
Aus dem Stärken folgt das Fördern. Wenn du dich auf die Entwicklung der Kompetenzen deiner Mitarbeiter konzentrierst, dann kommst du nicht darum diese auch zu fördern. Unterstützen sie mit Weiterbildungsmaßnahmen, wenn ein Teammitglied mit einer Aufgabe nicht gut umgehen kann, liegt es eventuell tatsächlich am nicht Können, dieser Mitarbeiter muss unterstützt, gefördert und Rückhalt von der Führungskraft erhalten. Bitte sehe aber von Zwangsmaßnahmen ab. Auch hier ist Fingerspitzengefühl gefordert. Wir erinnern uns daran, du solltest gleichzeitig Coach sein. Ein Unternehmen wächst mit seinen Mitarbeitern.

Antreibend 
Sei ein Vorbild, gehen voran und praktizieren selbst was du auch delegierst. Wenn du etwas nicht kannst, solltest du dazu stehen und die Aufgabe den Experten in deinem Team überlassen. Auch das ist eine Art der Wertschätzung und Anerkennung.

Bescheiden 
Du musst daher auch uneitel genug sein und um den Input von anderen bitten. Es gibt viele verschieden Blickwinkel auf ein Thema. Versuche möglichst viele Blickwinkel einzunehmen und daraus die beste Maßnahme abzuleiten. Denn dann erkennst du auch die Bemühungen der Teams um dich herum an.

Inspirierend 
Als Antreiber bist du aber auchdie Pilot Figur. Silo-Denken solltest du ablegen und aus deinem Wortschatz streichen. Ein Unternehmen ist wie eine mechanische Uhr mit mehreren Komplikationen. Auf den ersten Blick arbeitet jede Komplikation für sich, trotzdem haben sie einen gemeinsamen Antreiber.

Wegbereitend 
Scheu dich nicht deinen Mitarbeiter dazu zu ermuntern neue Vorschläge zu machen. Du bist der Visionär und schaust über den Tellerrand? Ermutige auch deine Mitarbeiter das zu tun.

Das ganz große Thema Empathie habe ich bewusst herausgelassen, denn das sollte die Grundvoraussetzung einer Führungspersönlichkeit sein. Frag auch mal in der Kaffeepause wie es dem Hund, der Katze, der Mutter geht, wie der neue Kühlschrank ist – sei nahbar, interessiere dich für deinen Mitarbeiter, sei aber authentisch. Wenn es demjenigen schlecht geht, sei mutig genug dem Mitarbeiter ein/zwei Tage zur Erholung zu geben. 
Behandeln deinen Mitarbeiter wie auch du behandelt werden möchtest.

Dein Coach Carl